Am Anfang eines Romanprojektes hat man meistens entweder eine tolle Idee für eine Handlungssequenz oder ein wirklich interessanter Charakter brennt darauf zum Leben erweckt zu werden. Dabei ist es völlig egal ob nun die Handlungsidee oder der Gedanke für eine gute Hauptfigur zuerst da ist. Beides kann sich zu einem spannenden Roman entwickeln.
Allerdings sollte man als zweiten Schritt, egal ob nun die Idee oder die Romanfigur zuerst da war, den Protagonisten ausarbeiten. Einen vielleicht spannenden Roman mit einem schnöden farblosen Helden will niemand lesen. Wir möchten mit unserem Romanhelden mitfiebern, mit ihm leiden und uns mit ihm freuen. Das würden wir sicher nicht mit einen langweiligen und unglaubwürdigen Helden.
Ich habe mir für meinen ersten Roman sehr viel Zeit genommen um die Protagonistin auszuarbeiten und kennenzulernen. Die Zeit, die ich in meine Heldin investiert habe, ist meiner Meinung nach sehr gut angelegt. Ich kenne sie inzwischen so gut wie meine beste Freundin – wir begleiten uns gegenseitig auf einem Stück unseres Lebensweges.
Wie bin ich vorgegangen bei der Ausarbeitung des Protagonisten?
Laut James N. Frey (”Wie man einen verdammt guten Roman schreibt”) gibt es drei verschiedene Dimensionen, die es gilt auszuarbeiten: die physiologische, die psychologische und die soziologische Dimension.
Die physiologische Ebene betrifft die Äußerlichkeiten der Figur, ihr Aussehen, Haarfarbe, Augenfarbe, Statur und so weiter. In der soziologischen Ebene befassen wir uns mit der Herkunft der Figur. Aus welcher sozialen Schicht kommt sie, was für Freunde hat sie, wer sind ihre Feinde. Meiner Meinung nach die wichtigste Ebene ist die Psychologische. Hier beschäftigen wir uns mit dem Innersten unseres Helden, seiner Wünsche, Ängste, seiner Ziele und seine Motivation.
Um alle Aspekte dieser drei Ebenen auszuarbeiten habe ich als erstes eine ausführliche Biographie meiner Protagonistin geschrieben. Man kann natürlich auch mit einem tabellarischem Lebenslauf arbeiten, ich empfehle jedoch die Biographie zu schreiben wie eine kleine Geschichte. Es dürfen ruhig ein paar Seiten mehr werden 🙂
Um meine Figur dann noch besser kennenzulernen habe ich ein (schriftliches!) Interview mit ihr geführt. Scheut euch nicht davor neugierig zu sein und auch verrückte Fragen zu stellen. Wir wollen in dem Interview die tiefsten Ängste unseres Helden erfahren, seine Beweggründe, seine dunkelsten Geheimnisse.
Nach einigen Seiten Interview kennt man dann nicht nur jede Faser an seinem Protagonisten, sondern hat auch etwas gelernt, über seine Art zu sprechen. Hat er immer nur kurze und knappe Antworten gegeben oder vielleicht sehr ausschweifend geantwortet? Welche Fragen waren ihm unangenehm, bei welchem Fragen ist er aufgeblüht. Redet er in einem Dialekt oder verwendet immer bestimmte Phrasen? Welche Macken hat er?
Mein Fazit: Ohne ausführliches Interview kommt bei mir keine wichtige Figur in den Roman!
Wenn ich die Ziele meines Romanhelden kenne, überlege ich mir welche Steine ich ihm in den Weg lege. Das kann am Anfang ganz schön Überwindung kosten. Mir ging es jedenfalls so. Da hat man seine Romanheldin lieben gelernt und nun soll man ihr weh tun und ihr das Leben schwer machen? Das ist gar nicht so einfach.
Aber Steine auf dem Weg unseres Protagonisten erzeugt Konflikte und Konflikte sind das A und O in einem Roman. Ich brauche für meinen Helden und auch für andere wichtige Nebenfiguren im Roman sowohl äußere als auch innere Konflikte. Je mehr, desto besser!
Die Handlungsidee vertiefen
Jetzt habe ich einen glaubhaften und interessanten Helden und kann mich meiner Romanidee zuwenden und aus ihr weitere Ideen entwickeln.
Eine Idee allein reicht nicht aus um einen kompletten Roman zu füllen, auch wenn sie noch so gut ist. Um einen Roman mit spannenden Handlungssträngen zu füllen brauchen wir jede Menge Ideen, die zusammen passen und miteinander verknüpft sind.
Ich verwende zwei Methoden um schnell brauchbare Ideen und Handlungen zu entwickeln.
Die erste Technik ist das Clustern. Es handelt sich um eine Methode, die in den 70er Jahren von Gabriele L. Rico entwickelt wurde. Ähnlich wie beim Brainstorming oder Mindmapping geht es darum, seine Gedanken und Assoziationen frei fließen zu lassen. Man schreibt in die Mitte eines Blattes ein Wort oder Thema, über das man schreiben möchte. Dieses Wort kreist man dann ein und rundherum schreibt man alles, was einem dazu einfällt. Diese Wörter kreist man wiederum ein und verbindet sie durch Linien mit dem Ausgangswort. Für die neuen Wörter fallen einem dann vielleicht wieder Assoziationen ein, mit denen man genauso verfährt. Auf keinen Fall sollte man sich dabei unter Druck setzen, sondern ganz entspannt bleiben.
Wer sich näher mit dieser Methode auseinandersetzen möchte, sollte in Gabriele L. Ricos Buch “Garantiert schreiben lernen. Sprachliche Kreativität methodisch entwickeln” reinschauen.
Die zweite Methode habe ich erst kürzlich entdeckt und bin absolut begeistert von ihr. Es handelt sich um eine Kreativtechnik, mithilfe der man in kurzer Zeit jede Menge brauchbare und vor allem zusammenhängende Ideen erzeugt.
In seinem Buch “Kreativ mit der Matrix” erläutert Richard Norden genau wie diese Technik, die “Assoziative Ideen-Matrix” funktioniert.
Man benötigt dazu nichts weiter als Karteikarten und einen Stift. Auf die Karteikarten schreibt man dann Begriffe (Ideen, Schlagwörter zum Roman) und anschließend werden die Karten ausgelegt und nach einem bestimmten Schema miteinander kombiniert. Auf diese Weise kombiniert man auch Ideen miteinander, die man sonst nie in Zusammenhang gebracht hätte.
Ich kann die AIM-Methode und das Buch “Kreativ mit der Matrix” von Richard Norden uneingeschränkt weiterempfehlen.
Nach diesen beiden ersten Schritten hat man eine vielschichtige glaubhafte Hauptfigur und jede Menge Ideen für eine komplexe Handlung, und damit ein solides Fundament für seinen Roman geschaffen, auf das man nun aufbauen kann.
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