Wer ist dein absoluter Lieblingscharakter aus deinen Schreibprojekten?

Montagsfrage für Autoren

Die „Montagsfrage für Autoren“ von Schreibwahnsinn – Nach einem Konzept von Paperthin

Wer ist dein absoluter Lieblingscharakter aus deinen Schreibprojekten?

Da ich an meinem ersten Roman arbeite, ist die Auswahl noch recht bescheiden. Irgendwie sind mir alle Figuren aus meinem Projekt sehr ans Herz gewachsen.  Das ist beim ersten Romanprojekt sicherlich auch völlig normal. 🙂

Deshalb möchte ich diese Montagsfrage dazu nutzen, euch die beiden wichtigsten Charaktere meines Romans kurz vorzustellen.

Da wäre zuerst der Schurke in meiner Geschichte.  Er heißt Robert und ist ein richtiger Sonnenschein. Immer gut gelaunt mit einem strahlenden Lächeln im Gesicht wirkt er nach außen wie der perfekte Schwiegersohn. Dabei macht er auf sein Umfeld einen vertrauenswürdigen Eindruck.  Niemand würde ihm die kalte, skrupellose Seite, die in ihm steckt, zutrauen.  Vollkommen abgebrüht schreckt er vor nichts zurück und beseitigt alles und jeden, der ihm in den Weg kommt.

In ihm steckt aber auch ein kinderlieber Familienmensch, dessen größter Wunsch es ist, endlich zu heiraten und die perfekte Familie zu haben.

Roberts Widersacherin ist die Jurastudentin Konstanze.  Sie ist eigentlicht nicht der Typ für große Heldentaten, leidet sehr unter einem Trauma, das acht Jahr zurückliegt.  Doch ihr Sinne für Recht und Gerechtigkeit, sowie ihre Hartnäckigkeit und Neugierde führen schließlich dazu, dass sie Roberts Geheimnisse mehr und mehr aufdeckt und sich ihm letztendlich stellen muss, um eine weitere Katastrophe zu verhindern und ihre eigene Zukunft als angehende Staatsanwältin zu retten.

Ich möchte an keiner Stelle im Roman mit ihr tauschen. Sie muss ziemlich hart einstecken und weit an ihre Grenzen gehen, oft sogar darüber hinaus.

Ich bin stolz auf Konstanze, wie sie die Hürden und Steine, die ich ihr in den Weg lege, meistert. Ich hätte mit Sicherheit auf halber Strecke aufgegeben. 🙂

 

Das Gute im Bösen oder das Böse im Guten? – Der Antagonist

Nachdem ich die Protagonistin für meinen Roman zum Leben erweckt hatte, brauchte sie einen ebenbürtigen Gegenspieler, mit dem sie um das Erreichen ihrer Ziele kämpfen konnte. Ein geeigneter Antagonist musste nun her.
An dieser Stelle wusste ich bereits sehr genau, wie die Handlung meines Thrillers aussehen soll, was alles passieren wird. Somit stand auch schon grob fest, was der Antagonist für ein Mensch sein musste.

Er sollte fähig sein zu furchtbaren Taten, abgrundtief böse, kalt, berechnend und skrupellos.

Soweit, so gut.

Ich setzte mich voller Tatendrang an meinen Rechner um seine Biographie zu schreiben, den Charakterbogen auszufüllen, Interviews zu führen, das volle Programm eben.

Und damit begannen meine großen Probleme mit dem Bösewicht. Tag für Tag saß ich an meinem Schreibtisch und kam kein Stück voran. Vollkommen blockiert gelang es mir nicht, einen bösartigen und dunklen Charakter zu erschaffen.

Ich kratzte nur leicht an der Oberfläche, beschrieb sein Aussehen, seinen leicht schiefen vorderen Schneidezahn, seine klitzekleinen Lachfältchen an den Augen, seinen tollen Körper…

Kurzum, ich verlor mich in äußeren Einzelheiten ohne wirklich in die Tiefe zu gehen.
Irgendetwas in mir weigerte sich einen durch und durch bösen Menschen zum Leben zu erwecken. Ich wusste zu diesem Zeitpunkt nicht genau was es war.

Aber so konnte und wollte ich meine kostbare Zeit nicht weiter vertrödeln und suchte deshalb nach einem anderen Ansatz.

Ich überlegte mir, dass es doch einen guten Grund geben musste, warum der Antagonist zu dem Menschen geworden ist, den er in meinem Roman darstellen soll.

Deshalb begann ich damit über seine Familiengeschichte zu schreiben, und zwar zurück bis zu seinem Urgroßvater. Soweit ist es sicherlich in den meisten Fällen überhaupt nicht nötig. Für meinen Antagonisten war es jedoch sinnvoll, denn im Leben des Urgroßvaters wurde bereits der Grundstein dafür gelegt, in welche Ideologie mein Antagonist letztendlich hineingeboren wurde.

Durch das Schreiben der Familiengeschichte war ich plötzlich tief drin im Leben meines Bösewichtes und ich fand zusätzlich weitere Ideen die ich in meinen Roman einbauen könnte. Mir wurde zum Beispiel plötzlich klar, wie eine weitere Hauptfigur im Roman und die Familie des Antagonisten miteinander verstrickt waren.
Ich hatte ein großes Stück der “Geschichte hinter der Geschichte” geschrieben, die zwar nie ein Leser zu lesen bekommt, aber für mich als Autor extrem wichtig ist.

Als ich dann beim Schreiben der Biographie meines Antagonisten angekommen war, legte ich ein Ereignis in seine Jugend, durch das er schwer verletzt wurde und auch einen dauerhaften Schaden behalten hat, der ihm im täglichen Leben behindert.
Dies war eine Art Schlüsselerlebnis für ihn, das ihn dazu bewegt hat einen perfiden Plan zu schmieden und diesen später dann auch umzusetzen.

Im übrigen macht es sich auch für den Protagonisten eines Romans gut, wenn er in der Vergangenheit eine Verletzung erlitten hat. Diese Verletzung muss dabei nicht unbedingt körperlich sein und kann auch das nahe Umfeld des Helden betreffen. So haben beide Seiten ihre Achillesferse und obendrauf haben wir weiteres Potential für (innere) Konflikte.

Mein Antagonist war jetzt immer noch böse und skrupellos, doch aus seiner Sicht gab es einen guten Grund für sein Handeln. Seine Taten erscheinen ihm richtig, ja sogar gerechtfertigt. Und auch für mich als Autor und hoffentlich später auch für euch als Leser ist seine Motivation für seine Taten bis zu einem gewissen Grad nachvollziehbar. Ja, ich gebe zu, ich hatte sogar ein bisschen Mitleid mit ihm. 🙂

Als nächstes gab ich meinem Bösewicht noch eine Reihe guter Eigenschaften als Gegenpol zu den negativen, “bösen” Eigenschaften. Ich habe ihm zu einem tollen Familienmenschen gemacht mit einer Verlobten an seiner Seite und einem gemeinsamen Kinderwunsch. Natürlich kann er sich gut verstellen und sein Umfeld weiß und ahnt nichts von seiner dunklen Seite.
Meiner Meinung nach sollte jeder Roman-Bösewicht nicht nur ausschließlich böse sein. Es ist viel interessanter zu sehen und zu lesen, wie das Böse in einem Menschen steckt, dem wir jeden Tag begegnen könnten.

Somit hatte ich nun ein Antagonist-Gesamtpaket geschnürt, mit dem ich von diesem Moment an wieder flott weiterarbeiten konnte.

Mein Fazit: Der Antagonist in einem Roman sollte genauso sorgfältig ausgearbeitet werden wie der Protagonist. Auch er sollte den Leser faszinieren, ebenso wie der Held des Romans. Dazu muss der Antagonist komplex sein. Eine Figur, die schlichtweg nur böse ist, ist flach und eindimensional.

Wenn der Antagonist am Ende ums Leben kommt und der Leser ein wenig um ihn trauert, dann haben wir alles richtig gemacht. 😉